Leserbrief von Franz Fuchs aus „Der fröhliche Kreis“, 34. Jahrgang 1984, Heft 3, Seite 140-141
„Herrn Landesrat a.D. LEITNER danke ich für seine freundlichen Briefe, der erste war im letzten ‚Fröhlichen Kreis‘ abgedruckt. Aus meinem Antwortschreiben darauf sind folgende Absätze auch für die Leser des ‚Fröhlichen Kreises‘ interessant:
Sie schreiben, auf einer breiten Basis soll die Spitze aufbauen. Vielleicht gehöre ich auch zu dieser Spitze. Das ist aber nicht wesentlich. Ich habe in meiner Jugend gelernt, dass die Breitenarbeit wichtiger ist als die Spitze. Ich habe nichts gegen diese Spitze, ich habe auch nichts gegen Vorführungen. Ich gestalte selbst immer wieder Vorführungen. Ich bin nur derzeit am Nachdenken, ob wir mit möglichst perfekten und umfangreichen Vorführungen nicht manche Leute abschrecken, die bei der Basis ohne weiteres mithalten könnten. Diese Leute betrachten aber sofort jede Tanzgelegenheit als Vorführung, bei der man nicht mittanzt, wenn man nicht dazugehört.
Ich denke auch, dass unser Tanz Allgemeingut werden sollte, so wie es bei manchen Liedern der Fall ist. Das wird aber nicht über eine möglichst perfekte Spitze geschehen, höchstens über eine breite Basis. Bei den Liedern sind ja auch nicht jene Allgemeingut, die durch möglichst kunstvoll gesetzte Chorliteratur verbreitet werden, sondern von den Chören eher links liegen gelassene einfache Liedln. „Mein Vadern sei Häusl is mit Habernstroh deckt“, „Und jetzt gang i ans Petersbründele“ und andere einfache Gstanzln kennt und singt bei uns jeder. Vielleicht könnten wir darauf hinarbeiten, dass jeder etwa den „Jägermarsch“ und den „Neubayrischen“ tanzt. Mit dem „Feistritzer Landler“ oder dem „Salzburger Almtanz“ wird uns das kaum gelingen. Auch 20 Grundtänze sind schon viel zu viel.
Eine Kleinigkeit möchte ich richtigstellen. Für mich ist romantisch nicht gleich ablehnenswert, wie Sie annehmen. Im Gegenteil, so einen Blick durch eine leicht rosa getönte Brille braucht jeder Mensch ab und zu. Das ist auch in unserer nüchternen Zeit notwendig, wie Sie so richtig schreiben. Ich meine höchstens, wir sollen nicht glauben, weil wir rosa Brillen aufsetzen, ist die ganze Welt rosa. Das war sie früher nie, das wird sie auch in Zukunft nicht sein. Wir können uns nur bemühen, dem für uns überschaubaren Anteil der Welt etwas freundlichere Farben zu geben, beispielsweise mit Volkskultur.“
Soweit die Abschrift meines Briefes. Ich möchte noch einen Gedanken von Walter LEITNER zitieren, da er mir wichtig vorkommt,
Im Brief vom 9. Juni schreibt er unter anderem:
„Zum Tanz als Allgemeingut: In Salzburg waren wir während des Krieges so weit, dass alle Tanzschulen auch einige Volkstänze in ihr Programm aufgenommen hatten. … Für die Verwirklichung des Zieles, dass der Volkstanz Allgemeingut werden sollte, war das sicher eine wesentliche Hilfe. Wer geht heute diese Frage an und bringt Ergebnisse?“
Es gibt auch heute noch ab und zu Tanzschulen, die auch einfache Volkstänze lehren. Aber wollen wir das überhaupt? Wollen wir unser Monopol aufgeben; unsere Mitsprachemöglichkeit? Wollen wir unsere Tänze verkommerzialisieren lassen, verhunzen? Wollen wir eigentlich wirklich, dass der Volkstanz Allgemeingut wird? Was wollen wir für dieses Ziel tun? Wollen wir den Volkstanz zum ‚Volks-Tanz‘ machen, oder soll er ‚Volkstanzgruppen-Tanz‘ bleiben? Das ist er doch heute hauptsächlich, oder?
Auf Reaktionen zum Thema ‚Tanzschulen und Volks-Tanz‘ würde ich mich freuen.“
Entnommen aus „Der fröhliche Kreis“, 34. Jahrgang 1984, Heft 3, Seite 140-141
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