Symposium & Generalversammlung 2019

Symposium – Thema mit Variationen
30. März 2019 im Bockkeller

Else Schmidt

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Österreichischer Volkstanz hat anlässlich der Diskussion um eine gewünschte Wiederveröffentlichung der sogenannten Grundtänze – der beiden Bände Österreichische Tänze im blauen und rosa Dirndlstoffcover – Ende März zu einem Symposium „Zur Problematik der Tanzsystematik der in Österreich aufgezeichneten überlieferten Tänze“ nach Wien geladen.

Dieses Thema steht im Rahmen der Volkstanzpflege klar zwischen den beiden Welten Praxis und Wissenschaft. Es ging dabei um Impulse für das wissenschaftliche Analysieren und Kategorisieren, um Erkenntnisse über typenbildende Bewegungsformen/teile und die Vergleichbarkeit von Phänomenen. Dies kann zwar für die Vermittlung – speziell im Rahmen der Tanzleiterausbildungen – von Interesse sein, ist aber keine Gängelung des praktischen Umgangs mit dem überlieferten Tanz!

Ich selbst spannte in meiner Einführung den Bogen von Raimund Zoder und seinem Aufsatz „Wie zeichnet man Volkstänze auf“ (1911) über Konrad Mautners Sammlung „Lieder und Weisen aus dem steirischen Salzkammergut“ (1919) bis zu Hermann Derschmidts und Herbert Lagers „Österreichische Volkstänze“ (1959). Die Übersicht über das gesammelte Tanzrepertoire wirft Fragen nach Inhalt und Ordnung auf – geografisch geordnete Anthologien? Gewachsen? Varianten? Eigenständige Tänze? Verteilung? Quantitäten? Was wurde weggelassen? Warum? Pädagogische Überlegungen? Ideologie? Antworten darauf würden sicherlich interessante Aspekte der Auswahl der Grundtänze bringen, die zwingend zu einer Reflexion von gelebten Kontinuitäten führen müssen.

1991 wurde INFOLK (Informationssystem für Volksliedarchive in Österreich) herausgegeben, der Katalog zur digitalen Erfassung des Archivbestandes. Die darin vorgelegte Systematik ordnet den Tanz als Instrumentalmusik ins Kapitel Gattungsbegriffe ein. Dabei werden 3 Kategorien gebildet – Tänze im dreischlägigen und im zweischlägigen Metrum sowie Tänze, die an einem charakteristischen, rhythmisch-choreographischen Grundmuster zu erkennen sind.

Nicola Benz folgte diesem melodisch/rhythmisch strukturierten Zugang und lud zum Nachdenken über die Einordnung von einigen ausgewählten Volkstänzen aus der oben genannten dritten Gruppe ein. Für das Zerlegen des Tanzes in seine Motive, einem für die systematische Zuordnung unerlässlichem Vorgang, holte sie vor allem auch methodische Anregungen zur Tanzanalyse bei der Wissenschaftlerin Eva Kröschlová (1972). Sie verwendete jedoch nicht deren Symbole, sondern legte sie auf eine bereits von Zoder u.a. verwendete Methode der gleichzeitigen Notation von Bewegung und Musik um. Dabei wurde vor allem die Problematik der Auswahl der Melodie zu einem Tanz deutlich. Wir sind innerhalb der Volkstanzpflege sehr an Kennmelodien gewöhnt, im Kopf ist daher vielfach eine strikte Zuordnung von Melodie und Bewegungsausführung verankert. Jedoch bieten die Archive wesentlich mehr Möglichkeiten von Melodien, wie man das beispielshaft auch an den Publikationen der Familie Derschmidt erfahren kann.

Monika Wolf gab einen ersten Einblick in die unvollendete Dissertation „Der Tanz – Systematische Betrachtungen von Herbert Lager“. Er beschäftigte sich mit der Frage der Definition von Tanz und den Möglichkeiten, seine Erscheinungsformen übersichtlich zu ordnen. Neben der Einteilung nach der Bedeutung von Tanz sucht er nach Ordnungskriterien nach Aufstellung, Bewegungsrichtung und Stammformen. Er ist dabei ein klarer Verfechter der Produktionstheorie. Das Thema hat ihn weiterhin beschäftigt, die meisten Ansätze sind durch (spätere) einzelne Aufsätze und Abhandlungen bekannt. Interessenten sei die Festschrift „Tanz und Überlieferung als Lebensform“ des Österreichischen Volksliedwerkes empfohlen, die eine Auswahl aus Schriften von Hebert Lager vorlegt.

Simon Wascher wiederum ging bei seinen systematischen Überlegungen von der Bewegung aus. Er erstellte eine Übersicht über morphologische Merkmale wie Gruppierung der Tanzenden, physischer Kontakt, Rotation, Raumweg, Tanzflächenokkupation, Schritte, Vertikalbewegungen und Symmetrie, um dann zur Musik zu kommen. Nach dem Prinzip der Kombinatorik ergeben sich daher unübersehbar vielfältige Bewegungsmöglichkeiten. Er erinnerte auch an die Existenz von Traditionsschulen und seinen Zweifel an ihre geografische Zuordenbarkeit. Sein Ansatz zeigt erneut die generelle Problematik einer hierarchischen Ordnung. Simon Wascher fordert daher die Möglichkeit einer wechselnden Betrachtungsweise für eine moderne, digital unterstütze Katalogisierung und Systematik.

Der letzte Teil war der tänzerischen Praxis bzw. Weitervermittlung gewidmet. Mario Kanavc stellte die gewissenhaft ausgearbeiteten und weitreichenden Intentionen des Zertifikatslehrganges zum Volkstanzleiter vor. In seinem Referat „Vom Tänze kennen zum Tänze können“ betonte er die Notwendigkeit wirklicher Vertrautheit mit Bewegung und Musik, um nicht nur im Nachahmen verhaftet zu bleiben, sondern mit einer bewussten Auswahl und Können tänzerisches Wissen situationsgebunden vermitteln zu können.

Wolfram Weber reflektierte in seinem Beitrag „Volkstanz im Wettbewerb“ nicht den agonalen Aspekt, sondern widmete sich vielmehr der Tanzauswahl in Salzburg im Zusammenhang mit den prägenden Musikgruppen, sowie dem sich ändernden soziologischen Umfeld aller Beteiligten – Stichwort Zuwanderung. Wie die Diskussion zeigte, schloss sich damit der Kreis zu den anfangs aufgeworfenen Fragen nach Regionalität und Variantenvielfalt, aber auch nach Ideologie sowie Inklusion oder Exklusivität.

Wir bedanken uns nochmals sehr herzlich bei allen Vortragenden und Mitdiskutierenden! Erfreulicher Weise war das Symposium sehr gut besucht. Der gesellige Abend im Anschluss an das Symposium brachte anschauliche Ergebnisse des Diskutierten, vor allem wahrscheinlich für die Musikantinnen und Musikanten. Jedoch wurden noch viele weitere Fragen gestellt, bzw. die Diskussionen fortgesetzt. Die Anregungen der Tagung sollten jedenfalls nicht so im Raum stehen bleiben, sondern die Überlegungen in einer Arbeitsgruppe unter Einbeziehung weiterer Expertinnen und Experten fortgeführt werden. Über eine geeignete Plattform werden wir nachdenken.

 

GENERALVERSAMMLUNG 2019
Herbert Zotti

Die diesjährige Generalversammlung fand am Sonntag, 31.3.2019 im „Bockkeller“ in Wien statt. Durch die Koppelung mit dem Symposium und starker Wiener Beteiligung war die Besucherzahl bei einer Generalversammlung erfreulich hoch. Da es in diesem Jahr keine Vorstandswahl gegeben hat, war die Sitzung relativ kurz und es wurden neben den üblichen Berichten die neuen Projekte besprochen. Dazu gehört die CD zu den Kontratänzen, die über den Sommer fertig gestellt wird. Die Präsentation ist für Montag, 16.9. geplant.

Die beiden Vertreterinnen des Kindertanzes in unserem Vorstand Birgit Fillafer und Birgitt Kepplinger haben ihre Funktionen zurückgelegt. Bei der Klausurtagung des Arbeitskreises Kindertanz, die am Pfingstwochenende stattgefunden hat, wurden die Zuständigkeiten und Strukturen neu geordnet. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe.